Warum gibts am Wollenberg keine Windmessungen?

Am 7.10.2012 hatte Bürgermeister Kai-Uwe Spanka bei einer Infoveranstaltung in Mellnau klar bestätigt: an jedem Windparkstandort solle es eine Windmessung geben. Trotzdem soll nun für den Windpark Wollenberg keine Messung kommen. Warum ist das so?

  • Offiziell wollten die Stadtwerke Marburg einen Windmessmast im Wollenberg bauen, doch nach unseren Informationen hat das Regierungspräsidium Gießen den Bau erst für die Zeit nach der Brut- und Setzzeit genehmigt. Der Windmessmast könnte demnach frühestens Mitte Juni 2013 gebaut werden. Das aber ist den Stadtwerken Marburg zu spät.
  • Die Messung mit Mast ist auf ein Jahr ausgelegt, d.h. erst im Juli 2014 hätten die ausgewerteten Daten vorgelegen. Rechnet man noch etwas Sommerurlaubs-Verzug hinzu, hätte sich eine finale Bewertung der Windgeschwindigkeiten bis August 2014 hingezogen.
  • So viel Zeit haben die Stadtwerke aber nicht, da der Windpark bereits Ende 2014 „am Netz“ sein muss, um für die nächsten 20 Jahre erkleckliche Fördermittel einzustreichen. Stadtwerke-Geschäftsführer Kühne hatte dies erst kürzlich bei einer Infoveranstaltung in Caldern bestätigt.

Basierend auf dieser Vorgeschichte vermutet die BI Windkraft Wetter, dass aus Sicht der Stadtwerke Marburg Windmessungen keinen Nutzen haben.

Warum darf auf die Windmessung verzichtet werden?

Nach Informationen der BI realisieren die Stadtwerke Marburg den Bau des Windparks Wollenberg in Eigenregie. Da es für den Wollenberg keinen Bebauungsplan gibt, liegt es im Ermessen des Investors (d.h., der Stadtwerke Marburg), ob man sich mit einem Windgutachten begnügt oder teure Windmessungen durchführen lässt.

Man darf getrost unterstellen, dass die Stadtwerke Marburg niemals die angekündigten Windmessungen im Sinn hatten. Sie kennen das Geschäft und auch die Auflagen, die ein Windmessmast mit sich bringt. Da es sich beim Wollenberg um ein FFH-Gebiet handelt, muss die Bedeutung der Brut- und Setzzeit den Verantwortlichen bewusst gewesen sein.

Hätte man tatsächlich die Messung durchführen wollen, wären die nötigen Anträge rechtzeitig gestellt worden. So aber wurden die kritischen Stadtverordneten und Bürger mit der Aussicht auf eine Windmessung beruhigt – bis es nun für eine Windmessung (angeblich) zu spät ist. Angenehmer Nebeneffekt: Die Kosten von ca. 300.000€, die die Stadtwerke Marburg hätten alleine zahlen müssen, werden ganz nebenbei eingespart.

Warum brauchen die Stadtwerke Marburg keine Windmessung?

Die Finanzierung des neuen Windparks durch eine Bank oder Sparkasse darf als gesichert betrachtet werden, selbst ohne Windkraft-Gutachten. Die Messung bringt unter diesem Gesichtspunkt keinen Mehrwert.

Einzig die zukünftigen Energiegenossen und die Steuerzahler aus Lahntal und Wetter interessieren sich für die tatsächliche Windstärke am Wollenberg – doch die Bürger und die städtischen Gremien haben in diesem Fall nichts zu sagen. Die Stadtwerke Marburg bauen schließlich in Eigenregie, die zukünftige Betreibergesellschaft ist erst danach am Zug.

Wer ist die zukünftige Betreibergesellschaft?

Die Betreibergesellschaft wird eine GmbH & Co. KG sein, wie wir kürzlich aus einem Antrag im Stadtparlament Marburg erfahren haben. Diese Gesellschaft wird zu 25% den Stadtwerken Marburg gehören. Die übrigen 75% werden durch Wetter, Lahntal und eine noch zu gründende Energiegenossenschaft getragen. Falls die Genossenschaft nicht zustande kommt, ist es wahrscheinlich, dass die Bürger stattdessen mit Schuldverschreibungen oder einem sonstigen „Wertpapier“ am Erfolg des Windparks beteiligt werden.

Spannend an dieser Konstruktion ist, dass die Stadtwerke Marburg ihren Teil der Einlage letztlich verschmerzen können. Das Geld dafür (2 Mio. Euro) haben sie schon – es stammt aus den Restmitteln der im Jahr 2011 von den Stadtwerken Marburg emittierten Inhaberschuldverschreibung, für die in allerletzter Konsequenz die Stadt Marburg haftet.

Die Inhaberschuldverschreibungen wurde damals mit einem konservativen Renditeversprechen von 3,25% ausgegeben. Zum Vergleich: der Investor für den Windpark Todenhausen-Mellnau muss knapp 8% Rendite versprechen, um an sein Geld für den Windpark zu kommen.

Immerhin scheint man auch im Marburger Stadtparlament nicht restlos vom Plan der Stadtwerke überzeugt zu sein: FDP, Bürger für Marburg und Die Linke haben diesem Vorhaben nicht zugestimmt – verhindern konnten sie es allerdings nicht mehr.

Wer trägt das Risiko, falls der Windpark Wollenberg floppt?

Sei es das aktuelle EuGH-Urteil oder der geforderte Planungsstopp durch Wetters Linke, sei es nicht ausreichender Wind oder eine als Versorgungsposten installierte Geschäftsführung: Gründe für das Floppen eines Windparks gibt es viele – dies wurde erst kürzlich bei einer Info-Veranstaltung im Kreishaus Marburg bestätigt. Wer also trägt das Risiko?

Falls bereits in der Starthase etwas schief läuft, bspw. eine Bauverzögerung durch einen Gerichtsprozess, wäre dies zunächst ein Problem der Stadtwerke Marburg. In diesem Fall würden letztlich die Marburger Bürger für das Risiko geradestehen – das muss man nicht gut finden, könnte aber den treibenden Kräften in Wetter und Lahntal durchaus egal sein. Dieser Fall ist jedoch sehr unwahrscheinlich, da wir davon ausgehen, dass die Stadtwerke vorab Verträge mit den Kommunen Wetter und Lahntal abschließen werden, die die Übergabe des Parks zum Vorteil der Stadtwerke regeln. Wir befürchten außerdem, dass die städtischen Politiker im Nordkreis letztlich „die Katze im Sack“ kaufen werden.

Im Vergleich zum Flopp in der Bauphase ist es jedoch erheblich wahrscheinlicher, dass der Windpark Wollenberg sich erst nach Inbetriebnahme als nicht so ertragreich erweist, wie es der Öffentlichkeit verkauft wird. In diesem Fall haften die Eigentümer der Betreiberfirma: das sind zu 25% die Stadtwerke Marburg und zu 75% die Gemeinden Wetter und Lahntal sowie die Energiegenossenschaft der Bürger.

Und völlig unwahrscheinlich ist dieser Fall nicht. Zur Erinnerung:

Forderungen der BI

Es ist klar, dass niemand das Risiko eines Fehlschlags am Wollenberg alleine tragen möchte. Nach Einschätzung der BI sind jedoch die Stadtwerke Marburg dabei, sich gegenüber Wetter und den übrigen Investoren einen erheblichen Vorteil zu verschaffen.

Die BI Windkraft Wetter fordert daher:

  • Kein Vertrag ohne Windmessung
    Bevor sich die Stadt Wetter (bzw. deren Stadtwerke) zum Einstieg in eine Betreibergesellschaft verpflichtet, muss eine Windmessung am Wollenberg von mindestens sechs Monaten durchgeführt werden, z.B. mit mietbaren mobilen Messlösungen. Der Bau der WKA bis Ende 2014 wird dadurch nicht gefährdet. Die entstehenden Kosten von rund 40.000€ stehen in einem guten Verhältnis zum Investment von voraussichtlich ca. 2 Mio. Euro öffentlicher Gelder.
  • Offenlegung des Geschäftsplans
    Anstatt auf Infoveranstaltungen nur von „sehr guten Ertragsprognosen“ zu sprechen, fordern wir die vollständige Offenlegung der Kalkulation zum Geschäftsbetrieb der Betreibergesellschaft – sofern diese mit öffentlichen Geldern finanziert werden sollte. Dazu zählen wir die voraussichtlichen Einnahmen (Windkraft-Ertragsprognose) und die erwarteten Kosten inkl. Geschäftsführer-Gehälter, eventueller Berater-Honorare und Wartungskosten. Die Offenlegung muss den gesamten Zeitraum von 20 Jahren umfassen.
  • Offenlegung der Satzung der Betreibergesellschaft
    Welche Verpflichtungen gehen die Kommunen im Falle einer Insolvenz oder im Falle einer Kapitalerhöhung ein? Gibt es Sperrminoritäten für Gesellschafter oder gar Extravaganzen für die Geschäftsführung? Sollte öffentliches Geld in die Betreibergesellschaft fließen, wollen wir diese Fragen geklärt wissen.
  • Für alle Fälle: eine Ausstiegsklausel
    Falls das Investment am Wollenberg bereits in der Bauphase scheitert, muss Wetter die Möglichkeit haben, aus dem Vertrag aussteigen zu können – notfalls auch mit einer Abstandszahlung. Es darf nicht sein, dass die unfreiwilligen Investoren (die Steuerzahler aus Wetter) für den Eifer der Stadtwerke Marburg haften müssen – getreu dem Motto: Gewinne privatisieren, Risiken verstaatlichen.

Wir hoffen, mit diesem Beitrag den verantwortlichen Politikern in Wetter einen Weg aufgezeigt zu haben, wie die Energiewende vor Ort verantwortlich gestaltet werden kann.

Die Fragen und Forderungen, die wir mit diesem Beitrag aufgeworfen haben, werden wir im Bauausschuss und in der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Wetter zur Beratung vorschlagen.

Und was macht Lahntal?

In den letzten Wochen haben uns vermehrt Stimmen aus dem Lahntal erreicht, die sich ebenfalls kritisch mit dem Windpark Wollenberg und den Folgen für die dortige Gemeinde befassen. Die BI Windkraft Wetter ist politisch nicht in Lahntal aktiv, unterstützt aber die Vernetzung all derjenigen, die sich kritisch-konstruktiv mit der Windkraft befassen wollen. Wer auf der Suche nach Mitstreitern im Lahntal ist, kann sich mit der BI Windkraft Wetter in Verbindung setzen.

Ein Gedanke zu „Warum gibts am Wollenberg keine Windmessungen?

  1. Da die Forderungen des EUGH-Urteils bei WEA-Projekten im umfangreichen BImSch-Verfahren abgearbeitet werden, naturschutzrelevante Eingriffe vermieden, minimiert und ausgeglichen werden, wird dieses nicht greifen, so meine Einschätzung.

    Die Stellungnahme der oberen Naturschutzbehörde im August 2012 erfolgte im pauschalen Sinne, wie sie in einem OVG-Urteil zurückgewiesen wurde. Jetzt werden Stellungnahmen nach aktuellen Leitfaden naturschutzrechtlich differenziert in 3 Kategorien abgearbeitet und bei der Entscheidung, wie bei jedem anderen Eingriff, sei es Straßen-, Wohn- oder Gewerbebebauung dann die unterschiedlichen Interessen abgewogen und ausgeglichen.
    Derzeit sind wir in einer Planungsphase an deren Ende alle Fakten auf dem Tisch liegen und wie in den bisher 6 öffentlichen Veranstaltungen bekannt gemacht werden. Dann erst wird über einen Bau entschieden und schließlich eine Investorengemeinschaft hierüber einen Vertrag schließen. Kein Investor, sei es eine Kommune, eine Genossenschaft oder ein kommunales Werk wird bauen, wenn die Investition wirtschaftlich unattraktiv ist.

    Um für den Investitionszeitraum eine sichere Grundlage zu haben und diese durch weder das TÜV-Windgutachten noch durch das der Stadtwerke Marburg aufgrund von echten Ertragszahlen präzisierte Gutachten ausreichend gegeben ist, wurden zwei weitere für diesen Standort erstellt. Diese sollen durch eine Windmessung überprüft werden. Zusätzlich zum Messmast sind mobile, lasergestützte Messungen über ein so genanntes „LIDAR“-Messverfahren eine übliche Ergänzung, die auch von den Stadtwerken am Lichter Küppel angewandt. Damit liegen zusammen mit den Ertragsdaten der WEA bei Wehrda, bei Münchhausen, den Windgutachten ein so dichtes Netz vor, wie es sonst fast nie bei solchen Investitionsentscheidungen der Fall ist.

    Bürgerenergiegenossenschaften werden von Bürgern gegründet. Ob und wer dann dieses Angebot der Beteiligung in welchem Umfang nutzt, ist jedem freigestellt und daher alles weitere spekulativ. Wenn keine Bürgerenergiegenossenschaft Kapital einbringt, wird mehr anderes Fremdkapital aufzubringen sein. Die Banken, die das sowieso tun sollen, prüfen natürlich übrigens auch noch einmal das Projekt auf Wirtschaftlichkeit. Wenn kein Fremdkapital aufgebracht wird, ist die Investition nicht möglich.

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